Schon seit vielen Wochen war mir klar, dass ich über unseren Blog meine Meinung zur Impfpflicht kundtun möchte und trotzdem hab ich lange damit gerungen, welchen Aspekt ich speziell in den Fokus rücken möchte. Dabei stand schon ein Artikel in den Startlöchern, der eine Einbindung der Bevölkerung in Form direktdemokratischer Beteiligung gefordert hat. Volksabstimmungen oder Bürgerräte wären dafür effektive Methoden.

Und doch habe ich nach einer für mich persönlich aufreibenden Auseinandersetzung mit diesem Schwerpunkt gemerkt, dass es mir nicht reicht, die Impfpflicht durch eine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung beschließen zu lassen – eine Mehrheit, die allem Anschein nach die allgemeine Impfpflicht durchwinken würde. 

Ich habe festgestellt, dass es mir bei dieser Fragestellung um grundsätzlichere demokratische Prinzipien geht. Konkret rede ich vor allem von den allgemeinen Menschenrechten, die uns als Gesellschaft seit der Allgemeinen Erklärung durch die Vereinten Nationen 1948 gegeben sind. Die Einführung einer Impfpflicht gefährdet viele der in der Resolution festgehaltenen Prinzipien, auf einige möchte ich eingehen. 

Am stärksten gegen eine Pflicht spricht, dass sowohl der Freiheitsgedanke als auch die Gleichberechtigung einzelner Menschen verletzt würden. Dabei ist es entscheidend, dass mit dem Gleichheitsanspruch keinesfalls eine Gleichförmigkeit gemeint ist, vielmehr zielt es auf das gleiche Recht für alle ab, individuelle Lebensentwürfe zu finden und diese auszuleben. In gewisser Weise geht es dabei also auch um einen Minderheitenschutz, der unbedingt selbst im Falle der Entscheidung einer gesellschaftlichen Mehrheit aufrechterhalten werden muss. Explizit sind darunter nicht nur Aspekte der Rasse, Hautfarbe oder Geschlecht gefasst, auch politische oder sonstige Überzeugungen spielen eine gewichtige Rolle. 

Die Impfpflicht hält der Faktenlage nicht stand

Und hier besteht für mich bei der Frage nach der Impfpflicht schlussendlich das große Problem: Bei der Einführung dieser – übrigens egal, ob ab 18 oder ab 50 Jahren – wird der Korridor der gesellschaftlichen Lebensvorstellungen und der persönlichen Überzeugungen stark eingegrenzt. Abweichende Entwürfe werden als “unvernünftig” dargestellt, abgewertet und kriminalisiert. Während also in anderen Themenbereichen – wie zum Beispiel im Zusammenhang des Kriegs in der Ukraine – die Menschenrechte zurecht als eines der wichtigsten Güter einer demokratischen Gesellschaft deklariert werden, wird bei der Frage der Impfpflicht ein pick and choose approach angewendet, der nur ideologisch passende Bestandteile der Menschenrechte groß schreibt.

Vielleicht würde sich der Fall für mich persönlich anders darstellen, wenn die Praxis eine hohe Wirksamkeit der entwickelten Impfstoffe gegen das Coronavirus zeigen würde. Basierend auf der Tatsache allerdings, dass keiner der derzeit zugelassenen Impfstoffe Infektion oder Weiterverbreitung vollständig verhindern kann, entfallen für mich Argumente der gesellschaftlichen Solidarität größtenteils. Auch das Narrativ einer Überlastung des Gesundheitssystems kann zumindest durch die aktuelle Omikron-Welle nicht aufrechterhalten werden. Im Entwurf zur Impfpflicht ab 18 heißt es zusätzlich, dass “im Falle des Auftretens neuer Varianten, die infektiöser und ggf. pathogener als die derzeit zirkulierende Omikron-Variante sein könnten, weiterhin ein Risiko der Überlastung des Gesundheitssystems insbesondere im kommenden Herbst und Winter” bestehe. Eine Impfpflicht anhand von Annahmen zukünftiger Virusvarianten zu beschließen, entzieht sich für mich jedoch jeder Logik, weil wir die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen diese möglichen Varianten nicht kennen.

Daher stellt die Entscheidung für oder gegen eine Impfung hauptsächlich eine individuelle dar, weshalb die Vorschrift einer Impfung selbst dann höchst ungerechtfertigt und ja, entgegen basisdemokratischer Überlegungen ist, wenn sie von einer gesellschaftlichen Mehrheit getroffen wird – abgesehen davon, dass in der momentan Debatte von einer stärkeren Einbindung von uns als Gesellschaft keinesfalls die Rede ist. Ohne Zweifel ist also in der Bewertung der Kosten und Nutzen die Entscheidungsfreiheit der Minderheit deutlich höher einzuordnen als das Durchdrücken einer Pflicht durch eine Mehrheit.

Erst die Impfpflicht führt zur Spaltung der Gesellschaft

Schon zum jetzigen Zeitpunkt – ohne eine Impfpflicht – sind Entwicklungen in der Gesellschaft zu sehen, die einzelne Aspekte der allgemeingültigen Menschenrechte verletzen. Darunter fällt unter anderem die unfreiwillige soziale Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft – ein Trend, der sich durch die Einführung einer Verpflichtung verstärken dürfte, indem Andersdenkende noch massiver unter Druck gesetzt würden. 

Konkret besteht ein Druckmechanismus darin, dass eine Pflicht, die in einem Gesetz festgehalten wird, immer mit einer Bestrafung derjenigen einhergeht, die sich dieser widersetzen. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt keine genauen Überlegungen zu möglichen Strafen für Ungeimpfte bekannt sind, würden auch hier zwangsläufig Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit der Betroffenen missachtet werden.

Besonders absurd wird es bei der Vorstellung, dass sich viele der bisher Ungeimpften weiterhin weigern würden, mögliche Strafen, wie zum Beispiel ein Bußgeld, zu begleichen. Der ultimative Schritt der Sanktion müsste in der Folge zwangsläufig in die Ordnungshaft führen – eine Realität, die ich mir nicht einmal in meiner kühnsten Fantasie ausmalen möchte. 

Insgesamt ist sowohl die theoretische Idee einer Impfpflicht als auch die praktische Ausgestaltung mit all seinen Folgen Gift für die allgemeinen Menschenrechte als elementarem Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Im abschließenden 30. Artikel der UN-Resolution heißt es: “Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.” Wir begeben uns gerade genau auf diesen Weg.

Deshalb sollte jeder, für den die aufgezeigten Beispiele den Weg in eine dystopische Zukunft zeichnet, diese Impfpflicht nicht gutheißen. Lasst uns also gemeinsam aufstehen und unsere Meinung zur Impfpflicht abgeben – mit der DEMOCRACY App. Tippe in die Suchleiste der App einfach BT 20/899 ein und gelange direkt zur Abstimmung.