1993 endete der dreißigjährige Unabhängigkeitskrieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Seitdem blieben die Grenzregionen der beiden Staaten leider nicht konfliktfrei. Im Jahre 1998 bis 2000 entflammte der eritreisch-äthiopische Krieg und erst im Jahre 2018 wurde formal Frieden geschlossen. Leider hielt dieser Frieden nicht lange an, denn seit 2020 ist die äthiopische Region Tigray Schauplatz von kriegerischen Auseinandersetzungen, in die beide Regierungen verstrickt sind. Erst in den letzten Tagen klagte Amnesty International die eritreische Regierung wegen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in der äthiopischen Stadt Aksum in Tigray an.
Als Reaktion auf den offiziellen Friedensschluss stellte die Bundestagsfraktion AFD im November 2019 einen Antrag mit dem Titel „Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Eritrea aufnehmen und forcieren“. Dieser Antrag wurde erst vorletzte Woche im Bundestag behandelt.
Die Antragsteller bezogen sich auf die koloniale Hintergrundgeschichte und betonten angesichts des offiziellen Friedens zwischen beiden Ländern die Besonderheit der Lage. In dieser sah man auch den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit Eritrea begründet.
Als ersten Grund nannten die Antragsteller die infrastrukturellen Entwicklungen, die in Folge des Friedensschlusses ausstehen. Dazu gehöre natürlich auch starkes Wirtschaftswachstum. Außerdem betonten sie die geografische Nähe zu politisch instabilen Ländern wie Somalia und radikalen Gruppierungen wie der Al Qaida. Der neu entstandene Frieden sei in diesem Umfeld gefährdet. Der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen Chinas mit den afrikanischen Märkten sei ein anderer Grund, Deutschland wieder auf die Karte zu bringen. Die Fraktion der AFD betonte: „Als Exportnation darf Deutschland dem nicht tatenlos zusehen, sondern muss die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten zum Wohle der deutschen Wirtschaft und des deutschen Volkes deutlich verstärken.“
Die Antragsteller forderten, die deutsche Regierung solle Eritrea als Stabilitätsanker in der sonst instabilen Region sehen und dem Land dabei helfen, die Friedensverhandlungen mit Äthiopien zu intensivieren und die gesamtafrikanische Wirtschaft im Wachstum zu unterstützen. Darüber hinaus sollte Deutschland den in Deutschland lebenden Eritreer:innen dabei helfen, in Ihr Heimatland zurückzukehren, um die dortige Wirtschaft zu unterstützen.
Für die deutsche Wirtschaft sollte dabei der lukrative Bergbausektor Eritreas zugänglich gemacht werden. Bodenschätze wie Gold, Kupfer, Silber und Zink seien Stützen der eritreischen Wirtschaft. Zudem seien die beiden Häfen am Roten Meer interessante Schnittpunkte mit den arabischen und asiatischen Absatzmärkten. Da wirtschaftliche Annäherungsversuche von deutscher Seite bisher erfolglos blieben, solle die Deutschland die eigenen Interessen in Eritrea verdeutlichen, falls nötig sogar erzwingen.
Die CDU/CSU verwies auf einen eigenen Antrag, der 2019 im Bundestag besprochen wurde und viele der genannten Punkte enthalte. Darüber hinaus bezog man sich in der Stellungnahme zu dem Antrag vor allem auf die Frage, ob Eritrea überhaupt Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit habe. Zu betonen sei hier, dass Entwicklungszusammenarbeit auf beidseitiger Freiwilligkeit beruhe. Da viele eritreische Staatsbürger:innen vor der Einberufung in den Nationalen Dienst fliehen und so zu Deserteuren würden, widerspreche die geforderte Rückführung menschenrechtlichen Standards.
Dem schloss sich die SPD beinahe nahtlos an und verdeutlichte nochmal den Umstand, dass Eritrea kein Interesse an wirtschaftlichen Beziehungen zu haben scheint, weshalb dieser Antrag abzulehnen sei.
Die FDP ging in der Stellungnahme vor allem auf Menschenrechtsverletzungen durch die eritreische Regierung im Land und an seinen Grenzen ein. Diese wiesen auf ein totalitäres Regime hin. Eine Zusammenarbeit mit einem solchen Regime dürfe es der FDP zufolge nicht geben. In der Forderung, den Standpunkt deutscher Unternehmen im eritreischen Bergbausektor zu bessern, sah die FDP den möglichen Plan, sich an menschenrechtswidrigen Arbeitsumständen zu bereichern und „eine neuartige Art von Kolonialismus“ .
Die LINKE verdeutlichte den Eindruck, es würde der AFD in dem Antrag nur um das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft gehen. Die AFD verfolge mit diesem Ansatz „in herbeigesehnter Großmachtkonkurrenz zu China einen modernen Kolonialismus“. Die wirtschaftlichen Vorteile werden hier über die menschenrechts unwürdigen Verhältnisse im genannten Nationalen Dienst gestellt.
Die Fraktion Bündnis90/die Grüne stellte sich aus denselben Gründen gegen den Antrag. Da der eritreische Präsident zwar wirtschaftlichen Hilfen annehme, sich sonst aber politisch nicht vom Kurs bringen ließe, sei schon der derzeitige Stand der Zusammenarbeit mit Eritrea als kritisch anzusehen.
Letztendlich wurde der Antrag der AFD von allen Fraktionen abgelehnt. Die offene Forderung, ein anderes, in diesem Fall afrikanisches Land zu wirtschaftlicher Kooperation zu zwingen, erinnerte wohl zu stark an die koloniale Vergangenheit Eritreas. Gerade der Vorschlag, aus Eritrea geflüchtete Menschen dabei zu unterstützen, nach Eritrea zurückzukehren, wurde häufig angegriffen. Man würde die Geflüchteten so geradewegs zurück in die Hände des Regimes geben, vor dem sie fliehen wollten.
Mittlerweile haben sich die Hoffnungen auf Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien, geschweige denn auf Frieden aufgrund des Grenzkonflikts gelegt. Am vorangegangen Antrag der CDU/CSU aus dem Jahr 2019 ist zu erkennen, dass die deutschen Regierungsparteien sich aktiv, politisch und wirtschaftlich einbringen wollen, um Eritreas Lage zu bessern. Schon zu dieser Zeit war bekannt, dass das dortige Regime gegen Menschenrechte verstößt. So bezeichnete die FAZ die eritreische Regierung in einem Artikel 2017, als das „Nordkorea Afrikas“ und die Süddeutsche Zeitung verglich den Nationalen Dienst, vor dem viele Eritreer flüchten mit Sklaverei.
Die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen nach Eritrea fällt zwar aus, angesichts der neuen Vorwürfe gegen die eritreische Regierung ist jedoch auch der aktuelle Stand der Beziehungen zu hinterfragen.
Die Abwägung, ob Deutschland mit einem politisch instabilen, vielleicht auch gegen die Menschenrechte verstoßenden Regime handeln sollte, um die dortigen Verhältnisse zu bessern, ist häufig sehr schwierig und hat keine eindeutige Lösung. Doch im Feld der Entwicklungszusammenarbeit taucht sie immer wieder auf. Solche Entscheidungen können dazu führen, dass ein Regime in der Verletzung der Menschenrechte unterstützt wird, während die deutsche Wirtschaft profitiert. Gerade deswegen sollten vorangegangene und kommende Anträge im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kritisch und immer wieder auf ihre Aktualität und Rechtmäßigkeit hinterfragt werden.
Vor allem aber sollte man in diesem Bereich nicht versuchen, mehrere Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen. Die Unterstützung der eigenen Wirtschaft mit der „Fluchtursachenbekämpfung“ zu kombinieren scheint vor diesem Hintergrund keine gute Idee zu sein.
Falls Ihr in Zukunft mehr zu dem Thema lesen wollt oder generell Themenvorschläge habt, schreibt uns gerne!