In weniger als einem Jahr finden die nächsten Bundestagswahlen statt. Am Freitag, den 09. Oktober, wurde im Bundestag eine Änderung des Wahlrechts beschlossen, die ein seit Langem bekanntes Problem angehen soll.
Wenn eine Partei über die Erststimme nämlich mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem durch die Zweitstimme festgelegten Sitzverhältnis zustehen würden, entstehen sogenannte Überhangmandate. Das dadurch verzerrte Verhältnis wird dann wiederhergestellt, indem alle anderen Parteien Ausgleichsmandate erhalten. Durch diesen Prozess wächst das Parlament bereits seit Jahrzehnten stetig und hat aktuell 709 Sitze, vorgesehen sind eigentlich 598. Die Reform soll ein weiteres Wachstum des Bundestages in den nächsten Legislaturperioden verhindern. Ein solches würde nicht nur zu logistischen Problemen und mehr Kosten führen, sondern könnte auch die Funktionsfähigkeit des Plenums beeinträchtigen. Zur Debatte standen drei Anträge, einer von der AFD und jeweils ein gemeinsamer von CDU/CSU und SPD sowie FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke.
Der Antrag der Regierungsparteien wurde mit 362 Ja-Stimmen, 281 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen angenommen. Laut diesem sollen in verschiedenen Bundesländern gewonnene Überhangmandate verrechnet werden. Zusätzlich sieht der Antrag eine Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280 vor, jedoch erst für die Bundestagswahlen 2025. Schließlich sollen Ausgleichsmandate erst ab 3 Überhangmandaten eingesetzt werden. Die Sachverständigen des Bundestages sind allerdings der Meinung, dass diese Maßnahme eine Vergrößerung des Parlaments nach den nächsten Bundestagswahlen nicht verhindern wird.
Die AFD schlug hingegen vor, dass Direktmandate nur nach dem durch die Zweitstimme festgelegten Verhältnis in den Bundestag einziehen. Die Direktmandate mit den niedrigsten prozentualen Stimmergebnissen wären somit ausgeschlossen gewesen. Zusätzlich hätten Wähler:innen in Zukunft über ihre Zweitstimme zusätzlich die Reihenfolge der Landeslisten von Parteien beeinflussen können, indem sie für bis zu 3 Namen direkt stimmen.
Schließlich wollten FDP, Grüne und Die Linke die vorgesehene Sitzanzahl auf 630 erhöhen und gleichzeitig die Anzahl der Wahlkreise auf 250 verringern, wobei beide Maßnahmen schon für die Bundestagswahlen 2021 gelten sollten. Weiterhin sollte das Sitzkontigentverfahren, nach dem jedem Bundesland abhängig von seiner Bevölkerungszahl eine Mindestanzahl an Sitzen zusteht, abgeschafft werden, da es zu weiteren Überhangmandaten führe.
Die Union und insbesondere die CSU erhielten in der Vergangenheit relativ viele Direktmandate über die Erststimme. Das könnte ein Grund dafür sein, dass sie sich lange gegen eine Reform sträubte. Ebenso könnte es Motivation für FDP, Grüne und Die Linke gewesen sein, sich in ihrem Lösungsvorschlag mit der starken Reduzierung der Wahlkreise auf die Direktmandate zu konzentrieren. Eine Verringerung der Anzahl an Wahlkreisen wird zwar zu einer Verkleinerung des Bundestages beitragen, könnte jedoch auch den direkten Kontakt der Abgeordneten zu ihrem dadurch vergrößerten Wahlkreis schwächen.